Roberto Vega gilt als mexikanischer Ausnahmekünstler. In Viersen lässt er an der Großen Bruchstraße ein einzigartiges „Mahnmal gegen die Korruption“ entstehen.
Viersen – Sie war vom ersten Augenblick an auffällig, die rote Außenwand der Mezcaleria Clandestino an der Großen Bruchstraße. In den nächsten Tagen entsteht hier ein einzigartiger Blickpunkt als „Mahnmal gegen Diskriminierung, Korruption und für die kulturelle Entwicklung der Großen Bruchstraße“. Aus Mexiko hat Ioannis Panagou dazu, unterstützt durch seine Crowdfunding-Aktion „Kunst gegen die Miesere“, den mexikanischen Streetartkünstler Roberto Vega (35) zu Besuch, der bekannt ist für seine muralistische Kunst. Die Idee zum Crowdfunding hatte Panagou, nachdem die bereits zugesagten Fördergelder zur Renovierung der Außenwand aus dem Südstadttopf wieder gestrichen wurden, berichtet er. „Weil die Farbe nicht in das Konzept der Stadtplaner passte.“
„In Mexiko lernte ich die Protestbewegung La Piztola kennen. Mit ihren Kunstwerken in den versteckten Gassen prangern sie Korruption und soziale Ungerechtigkeiten an“, so Ioannis Panagou. „Murales sind überall. An den Restaurants, an den Schulen, an Parkwänden. Ich dachte: Das ist perfekt für Viersen.“ Murales sind Wandmalereien mit nationalen, sozialkritischen und historischen Inhalten, entstanden 1920 nach der mexikanischen Revolution.
Die Protestbewegung La Piztola gründete sich 2006, als Präsident Calderon nach seinem Amtsantritt den Weg zu einem Drogen- und Bürgerkrieg frei machte, der alleine bis 2016 185.000 Opfer forderte. In der Protestbewegung engagieren sich verschiedene Künstler, darunter Roberto Vega aus Oaxaca, der in einer Gruppe von drei Künstlern aktiv ist. Mittlerweile ist die weltweite Kunstszene auf diese Gruppe aufmerksam geworden, die bereits in den großen Museen in New York, Los Angeles oder Berlin ausgestellt hat.
Vega studierte Grafik-Design, arbeitet in einem Atelier. Die Kunst begleitet ihn bereits sein gesamtes Leben, denn die kleine Stadt ist bekannt für die Herstellung traditioneller und künstlerischer Produkte. „Ich habe mein Leben lang viel Kontakt in meiner Heimatstadt mit den unterschiedlichen Kunstformen, sei es Tanz oder Malerei, gehabt“, berichtet Roberto Vega im Interview. Schon während der Schulzeit schuf er seine erste Streetart, arbeitet mit einer Mischung aus Schablonen und Graffiti. „Mit der Veränderung der Gesellschaft verändert sich auch unsere Kunst“, erklärt Vega. „Die ersten Kunstwerke zeigten viele Gewaltdarstellungen. Sie zeigten, wie die Gesellschaft behandelt wurde. Heute möchten wir ein kollektives Bewusstsein schaffen. Wir möchten eine Entwicklung der Gesellschaft herbeiführen, arbeiten mit den Menschen und zeigen in unseren Werken soziale Ungerechtigkeiten auf.“ Heute sind sie „offen“ aktiv, mahnend und aufrüttelnd, nicht mehr versteckt. Roberto Vega verbindet seine Arbeit stark mit den mexikanischen Ureinwohnern, Tradition und Stolz, möchte die Wurzeln stärken, gesellschaftliche Veränderungen begleiten und anstoßen.
Bevor der Künstler in 14 Tagen zurück zu seiner Frau, Rosario Martinez, selber Künstlerin der Gruppe und im 6. Monat schwanger, reist, entsteht täglich ein Stück mehr an der Großen Bruchstraße. Zunächst an der Wandvorderseite, Roberto Vega hat jedoch auch für die Seitenwand noch eine Überraschung in der Hinterhand. Schicht für Schicht trägt er auf, während bei jeder Schicht die Schablone neu angepasst wird. So lässt sich bereits das Mädchen erahnen, dass geschützt eine Algarvenpflanze in den Händen hält. Als Ikone dargestellt, ist sie einem Familienmitglied nachempfunden, als Mahnmal für und in Viersen gegen Diskriminierung, Korruption und für die kulturelle Entwicklung der Großen Bruchstraße um aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen. (re)
Text: Viersen Inside Magazin
Foto: Viersen inside